Salz in Flüssen: BUND fordert Schluss damit

Gütersloh (pm). In mehrere Flüsse in NRW wird salzhaltiges Wasser geleitet. Es stammt aus Niedersachsen, wo Erdgas gefördert wird. Nach Berichten des NDR und WDR wurden alleine 104 Tonnen Salz in die Ems-Lutter bei Isselhorst eingeleitet. Biologen haben demnach in der Lutter unterhalb der Einleitungen kein Kleintierleben mehr festgestellt.

NRW-Umweltminister Krischer bewertet das dennoch als legal und spricht von einer "Gesetzeslücke", die das erlaube. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) spricht von einem Skandal und fordert einen sofortigen Stopp solcher Einleitungen.

Aufgedeckt wurde der Skandal durch den NDR, der Wasser-Untersuchungen in der Ems-Lutter bei Isselhorst (Kreis Gütersloh) beauftragt hatte. Die hier naturnah fließende Lutter entspringt unterhalb des Teutoburger Waldes bei Bielefeld und mündet bei Harsewinkel in die Ems. Die Wissenschaftler der Uni Duisburg-Essen werteten die Proben aus. Ergebnis: Unterhalb der Einleitungsstelle an der Kläranlage Obere Lutter wurde im Bach kein biologisches Leben mehr festgestellt.

Besonders fehlen in der Lutter viele Insekten, die in ihrem Bestand gefährdet oder teilweise sogar vom Aussterben bedroht sind. Als Ursache wurde ein extrem hoher Salzgehalt ausgemacht. Er lag konstant über dem Richtwert für einen gesunden Fluss, im trockenen Sommer 2022 sogar circa gut dreifach über dem üblichen Wert.

Wie kamen 104 Tonnen Salz in die Lutter?

Das Salz stammt aus der Erdgasförderung in Niedersachsen, bei der stark salzhaltiges Wasser aus dem Untergrund mit an die Oberfläche gelangt. Dieses Wasser wird aus dem Gas herausgefiltert und als sogenanntes Lagerstättenwasser in Tanklastzügen nach Nordrhein-Westfalen gefahren. Allein 104 Tonnen Salz hat das Erdgasunternehmen Wintershall Dea nach Angabe des NDR seit Januar 2021 so entsorgt. Über das Gütersloher Entsorgungsunternehmen Zimmermann wurde es einfach in die öffentliche Kanalisation eingeleitet. Da in Kläranlagen Salze nicht herausgefiltert werden, gelangt es so in den Fluss.

Warum wird das Salzwasser aus Niedersachsen in NRW entsorgt?

Am Standort des Abfallunternehmens Zimmermann in Niedersachsen hat der Landkreis Nienburg eine Einleitung von behandeltem Lagerstättenwasser aus der Erdgasindustrie in eine Kläranlage nicht zugelassen. Daraufhin wurde das behandelte Lagerstättenwasser als Industrieabwasser deklariert und in Tanklastzügen nach NRW gefahren. Dort gelangte es nicht nur in die Lutter, vielmehr nach Recherchen des WDR-Magazins Westpol auch in die Emscher. Über den Remondis-Standort in Herne und die Kläranlage Bottrop wurde es entsorgt und erreichte so über die Emscher auch in den Rhein.

Die für die Genehmigung der Einleitung von Industrieabwässern in die Kläranlage bei Gütersloh zuständige Bezirksregierung Detmold will erst durch den NDR-Bericht davon erfahren haben, dass Lagerstättenwasser des Erdgaskonzerns Wintershall Dea den Fluss Lutter erreicht. Warum Behörden das in NRW zugelassen haben, ist für den BUND nicht nachvollziehbar. Der BUND fordert deshalb dazu die zuständigen Behörden auf, Stellung zu nehmen und künftige Einleitungen zu unterbinden.

NRW-Umweltminister spricht von „Gesetzeslücken“

Der nordrhein-westfälische Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) spricht laut WDR von „merkwürdigen Umwegen“ und „Gesetzeslücken“, die für diesen Weg der Entsorgung gefährlicher Abwässer genutzt würden. Er bewertete es als „problematisch“, dass aus Niedersachsen Lagerstättenwasser nach Nordrhein-Westfalen gebracht wird und hier am Ende in Oberflächengewässern landet. Das müsse dort entsorgt werden, wo es herkomme. Aber im Moment gebe es keine Möglichkeit, dagegen vorzugehen, denn die Einleitungen seien legal und genehmigt. Warum, so fragt dazu der BUND, war dann eine Entsorgung in Niedersachsen nicht möglich? Und wenn es Gesetzeslücken gibt, warum werden sie dann nicht zügig geschlossen? Und: Warum soll das 'Verschlechterungsverbot' der EU-Wasserrahmenrichtlinie hier außer Kraft gesetzt werden? Dies gelte ebenso wie die Vorgabe, den 'guten ökologische Zustand' (oder das 'gute ökologische Potenzial') für alle Gewässer in Europa herzustellen. Wenn also fest stehe, dass unterhalb von Einleitungsstellen kein biologisches Leben mehr möglich ist, dann werde gegen eine europäische Richtlinie verstoßen.

Aus Sicht des BUND wirft der Fall auch weitere Schatten auf die Gewinnung fossiler Energien. Denn das bei der Gasgewinnung anfallende Lagerstättenwasser ist nicht nur mit viel Salz, auch mit krebserregendem Benzol, Quecksilber und radioaktiven Stoffen belastet. Es dürfe deshalb aus gutem Grund nicht mehr in Wasserschutzgebieten verpresst werden, weil es die Grund- und Trinkwasservorräte gefährdet. Auf gar keinen Fall darf es „alternativ“ in Flüsse eingeleitet werden, da es hier Gewässerlebensräume zerstöre. „Es gibt nur eine umweltgerechte Lösung: Eine Gasgewinnung, mit der Grundwasser und Oberflächengewässer massiv gefährdet werden, darf nicht mehr zugelassen werden“.

Der aktuelle Fall der Ems-Lutter offenbare aber auch die generellen Defizite beim Gewässerschutz, so der BUND. Unsere Flüsse würden nach wie vor in großem Umfang als Abwassersystem und Salzdeponie missbraucht. So würden jedes Jahr mehr als 50 Millionen Kubikmeter stark - auch mit Chlorid - belastete Grubenwässer aus dem ehemaligen Steinkohlerevier in Lippe, Emscher, Ruhr und Rhein eingeleitet. Und der Chempark in Leverkusen leite mit behördlichem Segen jeden Tag etwa 700 Tonnen Salz in den Rhein.

Mehr dazu:

ndr.de/panorama3 »

Quelle:

BUND-Bericht »

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