Leihgaben: Bücher über Schulkonflikt

Erstellt von Willi Hennebrüder

Lemgo (wh). Die Karla-Raveh-Gesamtschule in Lemgo erhielt kürzlich als Leihgaben für den Unterricht zwei im Handel nicht mehr erhältliche Bücher zum Konflikt über den früheren Schulleiter des Lemgoer Engelbert Kämpfer-Gymnasiums (EKG), Dr. Ernst Werner, der hier von 1949 bis 1957 wirkte.

Nach Ansicht von Helmut Frische, der die Bücher zur Verfügung stellt, sollte eine Schule, die in der Tradition der Lemgoer Ehrenbürgerin Karla Raveh steht, diese Bücher besitzen und gebrauchen, insbesondere als kritisch zu lesende historische Quellen zur Geschichte der Stadt. Sie wurden von drei ehemaligen Schülern Werners herausgegeben und verlegt: Volkhard Brandes, Reiner Steinweg und Frank Wende.

Schon die Titel der Bücher „Ich verbiete euch zu gehorchen“ und "Habe den Mut Dich Deines Verstandes zu bedienen“ zeigen worum es Ernst Werner ging. Im Unterricht förderte er die kritische Auseinandersetzung mit der NS-Zeit. Dabei wollte er seine Schüler zu eigenem Denken bewegen und sie sollten „nichts als gegeben übernehmen, auch nicht die Ansichten der Eltern“.

Damit forderte er von Anfang an eine durch die Nazipropaganda auch in Lemgo allseits verbreitete und übernommene NS-Ideologie heraus, die auch nach Kriegsende noch weit verbreitet war. „Ernst Werner hat an Erziehungszielen wie Vernunft und Kritikfähigkeit und am Mut zum aufrechten Gang festgehalten und seine Verachtung der Spießer, Nazis und Militaristen nie zu verbergen gesucht.“

Eltern, Lehrer, Medien und Politik sammelten fleißig Belege um seine Entlassung beziehungsweise Versetzung zu erreichen, was schließlich auch 1957 zu seinem freiwilligen Amtsverzicht führte. Bezeichnend für die vielfach rückwärtsgewandte Ideologie von Teilen der Lemgoer Bürgerschaft sind zwei im Buch beschriebene Ereignisse aus der Nachkriegszeit.      

In Lemgo hatte man den Wehrmachtsgeneralmajor Otto Remer zu einem Vortrag eingeladen. Dieser war maßgeblich an der Niederschlagung des Aufstandes vom 20. Juli 1944 beteiligt und dafür von der Nazipropaganda als Held gefeiert worden. Nach dem zweiten Weltkrieg trat er weiterhin als rechtsextremer Politiker auf und wurde auch wegen seiner Holocaustleugnung verurteilt. In einem laut Buch restlos überfüllten Saal in Lemgo bezeichnete er unter großem Jubel die Attentäter als Vaterlandsverräter.

Mindestens ebenso bedenklich ist die Berufung von Werners Nachfolger. Ab 1959 wurde mit Dr. Wilhelm Kemper ein ehemaliger SS-Offizier zum Schulleiter berufen, der in der NS-Zeit Leiter einer Nationalpolitischen Erziehungsanstalt (Napola) war. In diese Elite-Internatsschulen wurden entsprechend der Nazi-Rassenideologie nur ausgewählte Schüler aufgenommen. Sie dienten zur Heranbildung des nationalistischen Führungsnachwuchses. Im Buch gibt es dazu ein Foto, das Dr. Kemper neben Heinrich Himmler zeigt, einem der Hauptverantwortlichen für den Holocaust.

Nach Meinung von Helmut Frische, der selbst zur Zeit von Werner Schüler des EKG war und ihm wichtige Erkenntnisse für seinen späteren Lebensweg verdankt, sind die beiden Bücher Zeitdokumente, die auch in der aktuellen Situation dazu beitragen können Schülern zu zeigen wie wichtig es ist, sich für Politik zu interessieren, sich eine eigene Meinung zu bilden und zu erkennen, was nationalistische Ideologie auch heute noch bewegen kann. Die philosophische und persönliche Haltung des „Sapere Aude!“; Immanuel Kant’s lateinische Formulierung, die zum Titel des zweiten Buches wurde, sollte in jeder Schule pädagogisches Prinzip sein, bedeutet für die Karla Raveh Gesamtschule das Arbeiten im Sinne der Namensgeberin.

Abteilungsleiter Michael Heitkämper von der Karla Raveh Gesamtschule nahm die Bücher und den Fachbeitrag zum Schulkonflikt entgegen, bedankte sich herzlich für die Spende der seltenen Bücher. „Sie sind ein wertvolles zeitgeschichtliches Dokument, das wir gerade an unserer Schule gut im Unterricht einsetzen können.“

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Bücher über Schulkonflikt überreicht
Michael Heitkämper erhält vom ehemaligen Schüler des EKG Helmut Frische die beiden historischen Bücher über den Schulkonflikt mit dem Schulleiter Dr. Ernst Werner