Begegnung von Buddhisten und Christen

Paderborn / Meschede (pdp). Papst Franziskus wird vom 20. bis 26. November 2019 nach Thailand und Japan reisen. Christen und auch Katholiken bilden dort eine Minderheit, der größte Teil der Bevölkerung dieser beiden fernöstlichen Länder sind Buddhisten. Pater Dr. Cosmas Hoffmann OSB ist Subprior der Benediktiner-Abtei Königsmünster in Meschede und lehrt an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Augustin Fundamentaltheologie
und Religionswissenschaft.

Seit 1991 engagiert er sich im Monastischen Interreligiösen Dialog (MID), in dessen Rahmen er mehrfach Begegnungen zwischen christlichen und buddhistischen Mönchen und Nonnen in Europa und
Asien erfahren und organisiert hat.

Pater Cosmas, was sind die wichtigsten Elemente oder Lehren des
Buddhismus?

Der Buddhismus, eine Religion, die circa 500 Jahre älter ist als das
Christentum, besteht heute aus vielen verschiedenen Traditionen, Schulen und Sekten. Deren gemeinsames Fundament ist die Verehrung und Berufung auf die sogenannten drei Juwelen. Damit sind der Buddha, seine Lehre (Dharma) und seine Gemeinde (Sangha), also jene die ihm nachfolgen, gemeint. Nach buddhistischer Tradition ist jemand Buddhist, wenn er dreimal die sogenannte Zufluchtsformel rezitiert: Ich nehme Zuflucht zu Buddha. Ich nehme Zuflucht zum Dharma. Ich nehme Zuflucht zum Sangha. Buddha heißt der Erleuchtete oder Erwachte und ist ein Ehrentitel, mit dem Siddharta Gautama (um 500 v. Chr.) bezeichnet wird.

Als junger Mann verließ Siddharta seine Familie und suchte als Wandermönch und Schüler von Einsiedlern in Meditation, Fasten und Yoga nach dem wirklichen, dem tragenden Grund des Daseins. In einer Nacht wird ihm die Erleuchtung zuteil. Seine Lehre fasst der Buddha in den vier edlen Wahrheiten zusammen: Das Leben ist leidvoll und ungenügend. Die Ursache des Leidens ist das ständige und unstillbare Verlangen (Durst) nach mehr, das von einer falschen Wahrnehmung und einem verkehrten Verständnis (Unwissenheit) von sich und der Welt bewirkt wird. Durch das Loslassen und Aufgeben von Durst
und Unwissenheit, wird der Mensch vom Leiden befreit. Der Weg zur Aufhebung des Leidens ist der achtfache Pfad: rechte Einsicht
in das, was heilsam und was unheilsam ist; rechte Entschlossenheit zu
Entsagung und Wohlwollen; rechte Sprache heilsamer Worte; rechte Verhalten und rechter Lebensunterhalt, die keinem Lebewesen schaden; rechte Anstrengung zur Erzeugung heilsamer Geistesinhalte; rechte Achtsamkeit für ein bewusstes Tun; rechte Meditation.

Gerade durch die beiden letzten Elemente des achtfachen Pfades, rechte Achtsamkeit und rechte Meditation, wirkt der Buddhismus auf viele Menschen im Westen faszinierend. Woran liegt das?

Tatsächlich ist der Buddhismus in Europa vor allem für seine
Meditationspraxis bekannt. Seit den 70er Jahren wird der japanische
Zen-Buddhismus auch hier geübt. Seit den 80er Jahren etabliert sich in
Deutschland der tibetische Buddhismus, der vor allem vom Dalai Lama
repräsentiert wird. Seit den 90er Jahren wächst das Interesse an Übungen der Achtsamkeit, zu der vor allem der buddhistische Mönch Thich Nhat Hanh einlädt.

Viele religiös suchende Menschen fasziniert die systematische und
leibbezogene Einführung in Meditation und Achtsamkeit, die der Buddhismus pflegt, weil sie hier nicht nur geistlich, sondern auch leibhaft religiöse Erfahrungen machen können. Zudem knüpfen die Lehren des Buddhismus, wie schon die vier edlen Wahrheiten zeigen, an den konkreten Lebenserfahrungen der Menschen an und
entwickeln daraus die buddhistische Lehre von Mensch, Welt und Erlösung.

Dementsprechend steht der Buddhismus Spekulationen über Gott, dessen Wesen und Existenz sehr skeptisch gegenüber. Vom Buddha wird sinngemäß überliefert, dass er die Existenz von Gott und Göttern weder bejahte noch leugnete, da dies außerhalb seines Erfahrungsbereiches sei, er vielmehr auf die Notwendigkeit der Überwindung des Leids durch den achtfachen Pfad hinwies. Diese agnostische Haltung, die die Frage nach der Existenz Gottes
offen lässt, ist vielen Menschen heute vertraut.

Wofür könnte der Buddhismus uns Christen sensibilisieren?

Der Buddhismus weist darauf hin, dass Erfahrung ein wichtiges Element von Glaube und Spiritualität sind. Mich erinnert das an den bekannten Satz des Jesuiten Karl Rahner, dass der Fromme von morgen ein Mystiker sein werde, einer, der etwas erfahren habe. Ein gutes Beispiel dafür ist Jesus selbst, der mit der Aufforderung Komm und sieh! Menschen einlädt, ihm nachzufolgen und so mehr von ihm und seinem Weg zu erfahren. Gerade heute suchen viele Menschen nach Orten, an denen sie Religion, Spiritualität und
Glaube erfahren können. Davon zeugt gegenwärtig die große Resonanz auf buddhistische Meditationszentren und deren Achtsamkeitskurse.

Die Begegnung mit Buddhisten kann uns Christen auch daran erinnern, dass uns Formen der Achtsamkeitsübung nicht fremd sind. So war eine buddhistische Nonne, die an einer christlich-buddhistischen Begegnung im Haus der Stille unserer Abtei Königsmünster teilnahm, ganz begeistert, als es zum Angelus läutete. Sie sprang begeistert auf und nahm das Geläut als ein akustisches Signal wahr, das uns mitten am Tag aus der Versunkenheit
im Alltäglichen weckt und uns an unsere tiefere Berufung und eigentliche Ausrichtung erinnert. Genauso ist der Angelus auch gemeint, zu Beginn, zur Mitte und am Ende des Tages an den zu erinnern, der unser ganzes Dasein trägt. In ähnlicher Weise nahm sie die Kirchtürme als visuelle Signale wahr, die uns zu Aufrichtung und Ausrichtung auffordern.

Im Bereich der Theologie, also der Lehre und Rede von Gott, kann der
Buddhismus uns Christen daran erinnern, dass Gott auch der ganz andere und unbegreifliche Gott ist und bleibt, jenseits all unserer Konzepte und Bilder, die wir uns von ihm machen. Andererseits findet die Sehnsucht des Menschen, das, was er als absolut und transzendent erfährt, ansprechen, in Bilder und Begriffe bringen und
mit ihm in Beziehung treten zu können, auch im Buddhismus ihren Ausdruck.

Dies wird deutlich erkennbar in den buddhistischen Tempeln mit den Figuren des Buddha und anderer geistiger Wesen, in denen Zeremonien, Liturgien Gebete von Gemeinschaften und einzelnen stattfinden. Dieses gegenseitige aufeinander Verwiesen-Sein beider Religionen stellt der srilankesische Jesuit Aloysius Pieris besonders anschaulich dar, wenn er darauf hinweist, dass in beiden Religionen ein Baum von besonderer Bedeutung ist. Im Buddhismus ist es der Baum der Weisheit und der Erkenntnis, unter dem der Buddha die Erleuchtung erfährt, im Christentum ist es das Kreuz, der Baum, an dem in Christus Gottes Liebe und Barmherzigkeit offenbar wird. Unter welchem Baum man auch immer steht, ist es gut und hilfreich, auch den anderen Baum im Blick zu bewahren.

Papst Franziskus reist jetzt in zwei fernöstliche Länder. Welche Bedeutung hat dies sowohl für die christliche Minderheit als auch für die mehrheitlich buddhistische Bevölkerung?

Für die christlichen Gemeinden in Thailand und Japan wird der Besuch des Papstes eine Stärkung in der Diaspora sein und als Ausdruck der
Verbundenheit mit dem Gesamt der Kirche, die über den ganzen Erdkreis verteilt ist, erfahren. Dabei ist es gut, dass Papst Franziskus die Stärkung der Ortskirchen mit der Stärkung des Miteinanders von Christen und Buddhisten verbinden will, wenn er im Vorfeld der Reise sagt, er wolle die Bande der Freundschaft kräftigen, die uns mit den vielen buddhistischen Brüdern und Schwestern verbinden. Angesichts einer Welt, die von Ungerechtigkeit, Gewalt und Zerrissenheit geprägt ist, ist es ein starkes Zeichen, wenn beide Religionen ein beredtes Zeugnis von den Werten der Toleranz und der Harmonie geben.

Pater Cosmas, Sie stehen als katholischer Mönch, als Benediktiner im
Austausch mit buddhistischen Mönchen. Was sind Unterschiede und
Gemeinsamkeiten?

Der stärkste Eindruck meines mehrwöchigen Aufenthaltes in buddhistischen Klöstern in Japan war, dass ich mich einerseits als Westeuropäer und Christ dort am äußersten Ende Ostasiens und in einer buddhistisch geprägten Welt geographisch, kulturell und religiös in der Fremde sah, dass ich mich aber anderseits im Zen-Kloster sehr zuhause fühlte, weil es wie bei uns von ähnlichen Strukturen geprägt ist. So hat mich fasziniert, dass es in beiden klösterlichen Lebensformen ähnliche Formen der Einteilung der Zeiten und Räume, des Ausbildungsweges, der Ausdrucksformen in Liturgie und Alltag, der Gemeinschaftsorganisation und der Arbeitsteilung gibt. Selbst im Inneren, das heißt in den Grundwerten der Spiritualität, wie Demut, Gehorsam, Mitgefühl, Barmherzigkeit, Weisheit, Maß finden sich viele Übereinstimmungen. Allerdings finden diese Grundwerte ihre Begründung in unterschiedlichen religiös-spirituellen
Grundannahmen. Denn während die Begriffe Gott und Person im
Christentum von großer Bedeutung sind, werden sie im Buddhismus eher kritisch-distanziert wahrgenommen.

Was können christliche und buddhistische Mönche voneinander lernen?

Das Kennenlernen der monastischen und spirituellen Traditionen des jeweils anderen lässt einen sehr bald die Tiefen aber auch die
Ergänzungsbedürftigkeit der eigenen Position entdecken. Manches, was mir zuerst fremd erscheint, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als etwas Vertrautes, was mir aber nicht bewusst war oder ich aus dem Blick verloren habe: So verweist das buddhistische Schweigen vom Absoluten die Christen auf ihr kontemplatives Wissen von Gott als den Seinsgrund jenseits von Rede und Anrede. So erinnert der vertraute Umgang der Christen mit Gott als ansprechbarer Person die Buddhisten an die Sehnsucht des Menschen, das
Absolute als personales Gegenüber zu erfahren. So ermutigt das
sozial-caritative Engagement der christlichen Ordensleute die
buddhistischen Mönche zu Mitgefühl und Barmherzigkeit. So regt die
leibhafte Übung der Meditation, wie sie die Buddhisten praktizieren, die Christen zum wachen Umgang mit dem Leib auch im geistlichen Leben an. In dieser wechselseitigen Komplementarität kann der inter-religiöse Dialog zum intra-religiösen Dialog werden, indem man, angeregt vom anderen, neue Wege wagt und alte Pfade wiederentdeckt. Auf diese Weise erlebe ich die geschwisterliche Begegnung mit buddhistischen Mönchen und Nonnen als ein
großes Geschenk, das mein Herz weit macht und die Freude an meinem Christ-sein stärkt.

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 Begegnung von Buddhisten und Christen
Einkehr und Gottesdienst sind für buddhistische und christliche Mönche wichtig, sie haben feste Zeiten dafür. Hier nehmen buddhistische Mönche am Gottesdienst der Benediktiner in der Abteikirche teil. Foto: Abtei Königsmünster