Musikalisches Feuerwerk zum Jubiläum

Erstellt von Michaela Pitz

Kreis Paderborn (krpb.) Helene ist mal gerade 16 Jahre alt. Doch hat die Schülerin schon jetzt ein klares Ziel vor Augen: Sie möchte einmal Musikerin werden. So richtig und unbedingt möchte sie ihre Leidenschaft zum Beruf machen. Dass Helene und die 43 weiteren jungen Menschen, die jetzt in der Stadthalle Delbrück zu Gast waren, absolut das Zeug dazu haben, das bewiesen sie kürzlich beim Konzert der Jungen Bläserphilharmonie NRW unter der Leitung ihres Dirigenten Timor Oliver Chadik.

Aus Anlass des 60. Geburtstags der Kreismusikschule Paderborn hatte der Kreis Paderborn das über Europas Grenzen hinaus bekannte Ensemble eingeladen, um auch in Coronazeiten und im Rahmen der derzeitigen, eingeschränkten Möglichkeiten den runden Geburtstag musikalisch zu feiern. "Für mich ist es ein absoluter Höhepunkt, hier sein zu dürfen. Keine Musik vom Band sondern richtig real. Da spürt man erst, wie sehr das alles gefehlt hat", betonte Landrat Christoph Rüther, selbst bekennender Musiker, der die jungen Virtuosen auf der Bühne herzlich willkommen hieß.

Zu verdanken sei das Konzert aber genau genommen einer ganz besonderen Frau, die am Abend ebenfalls im Publikum Platz genommen hatte: Winnifred Zinselmeier hatte vor vielen Jahrzehnten, in ihrer damaligen Funktion als nebenberufliche Blockflötenlehrerin zusammen mit Marita Kruse, einer Musikpädagogin aus Lichtenau und erster Leiterin der damaligen Jugendmusikschule (1961 bis 1967), die Idee geboren, eine Kreismusikschule zu gründen. "Vielen Dank, dass Sie damals den Mut hatten, dieses Experiment zu wagen", lobte Rüther den unermüdlichen Einsatz für die gute Sache. "Denn nur so kann die heutige Kreismusikschule stolz sein auf rund 1.400 Schülerinnen und Schüler, die regelmäßig und gern zum Unterricht kommen und hier bei uns die Chance haben, in die wunderbare Welt der Musik mitgenommen zu werden".

Ein regelmäßiges gemeinsames Üben, wie man es von Musikvereinen kennt, gibt es für die Junge Bläserphilharmonie NRW nicht. Nur zweimal im Jahr finden sich die jungen Menschen in so genannten einwöchigen Arbeitsphasen zusammen, um das ihnen erst ca. 4 Wochen zuvor bekannt gemachte Programm einzustudieren. Sorgen, Zeitdruck oder schlaflose Nächte bereitet das den 14- bis 24-Jährigen nicht. Im Gegenteil. Genau auf solche Auftritte fiebern sie hin.

Mit Hoodies und Sneakern, wahlweise mit Beanies oder Kappis bekleidet und am Handgelenk das Armband vom letzten Festival, betraten 43 junge Frauen und Männer zum Licht- und Soundcheck die Bühne der Delbrücker Stadthalle. Genau zwei Stunden später standen sie in schwarzer Abendgarderobe und mit Fagott, Klarinette, Trompete und Co. in der Hand im Foyer der Halle, bereit zum Auftritt ihres sinfonischen Blasorchesters. Ihre Mission: das Publikum im Saal mit auf eine musikalische Reise durch England zu nehmen. "British Stories", so lautete das diesjährige 90-minütige Programm, das neben Zwischenstopps in Dörfern an Englands Küste, auch zu Besuchen in kleinen Tavernen einlud oder musikalisch zum Volkstanzen aufforderte.
Mit jeder Bewegung gelang es Chefdirigent Timor Oliver Chadik, das Orchester und das Publikum gleichermaßen in seinen Bann zu ziehen. Und so zündete der Musiker an diesem Abend dem Anlass entsprechend ein musikalisches Feuerwerk nach dem anderen.

Schwer sei die coronabedingte, monatelange Trennung und Distanz beim Musizieren gewesen, weiß Chadik zu berichten. Distanzen von bis zu 16 Metern zwischen Dirigent und einzelnen Musikern hatten die Arbeit erschwert. Umso deutlicher ist allen Beteiligten anzumerken, wie sehr sie es genießen, nun wieder unter etwas normaleren Bedingungen spielen zu dürfen. Das taten die Jugendlichen am Abend auch unter der Leitung des Dirigierassistenten Tobias Schütte. Ein guter Brauch der Jungen Bläserphilharmonie sei es, so Schütte, bei jährlichen Konzerten auch neue Besetzungen zu spielen. So habe sich der Sauerländer in dieser schwierigen Zeit gefragt, wie es musikalisch möglich sei, "das aktuelle Geschehen musikalisch in den Blick zu nehmen". Dabei allein die Coronapandemie zu betrachten, schien ihm nicht passend. Deshalb entschied sich Tobias Schütte dazu, die Auswirkungen der Pandemie auf die Gesellschaft zu verarbeiten. Im Mittelpunkt seiner "Symphonie of Society" stehen daher drei Tugenden junger Menschen in der heutigen Zeit: die Nachhaltigkeit, die Wertschätzung und die Solidarität.
"Nachhaltigkeit ist positiver Verzicht", erklärte Schütte seinen Ansatz. So reduzierte er beim Komponieren des ersten Teils eine aus 12 Tönen bestehende Oktave auf die Hälfte. 3 Töne habe er dann gewürfelt, drei Töne selbst hinzugefügt als "Parabel für das, was ich selbst beeinflussen kann". Und heraus kam ein Meisterwerk, welches durch langanhaltenden Applaus des Publikums honoriert wurde.

Die Perfektion der 90-minütigen, musikalischen Darbietung spiegelte sich an diesem Abend in Standing Ovations und Zugaberufen wieder. Nicht wenige Gäste gingen "geflasht" nach Hause, wie es eine Zuhörerin formulierte. "Das zu erleben, macht Mut und Hoffnung in dieser Zeit", findet die Delbrückerin.

Was die Musik beim Publikum auslöste, das gibt sie auch den Machern auf der Bühne. "Musik macht einfach wahnsinnig Spaß", findet der 18-jährige Phillip. Die Junge Bläserphilharmonie NRW vermittle darüber hinaus ein "unfassbares Gemeinschaftsgefühl. Jeder ist so dabei, wie er ist", ergänzt die 19-jährige Carolina. Wie ihre Mitstreiter lieben die beiden die Musik, die sie machen. Aber natürlich laufen auf eigenen Datenträgern gern auch Charts, HipHop oder RockMusik. "Im Bus aber vorzugsweise ´Die Egerländer Musikanten`", lacht Carolina.

Den Einsatz eines jeden Kulturschaffenden, das nicht Aufgeben in schwierigen Momente, lobten abschließend Heinz-Josef Struckmeier, Leiter der Kreismusikschule, und Eddi Kleinschnittger, musikalisch-fachlicher Leiter. So gelte ein besonderer Dank den "herausragenden musikalischen Gästen" für diesen besonderen Abend, aber auch "allen Musikschullehrerinnen und -lehrern der Kreismusikschule Paderborn und darüber hinaus allen Eltern und Musizierenden, die in dieser schwierigen Zeit einen langen Atem bewiesen und an die Musik geglaubt haben. Ohne eure Energie hätte die Kultur an dieser Stelle nicht aufrechterhalten werden können".

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Musikalisches Feuerwerk zum Jubiläum
Wie feiert man 60 Jahre Kreismusikschule Paderborn? Mit einem Konzert der Extraklasse. Sie freuten sich über ein Geburtstagsfest der besonderen Art - (v.l.) Heinz-Josef Struckmeier, Leiter der Kreismusikschule Paderborn, Landrat Christoph Rüther, Dirigent Timor Oliver Chadik, Dirigierassistent Tobias Schütte und Eddi Kleinschnittger, musikalisch-fachlicher Leiter der Kreismusikschule Foto: Theresa Willeke