Projekt: Mehrsprachigkeit als Bildungschance

Kreis Paderborn (krpb). Ahmad tobt im Kindergarten mit seinen Freunden über die Wiese und kickt den Ball ins Tor. Zuhause geht er mit seinen Brüdern auf den Hof und spielt „kurat alqadam“. Jelena zieht sich nach dem Mittagessen in ihr Kinderzimmer zurück und malt mit dem „rutschka“ in ihrem neuen Malbuch. Für beide ist es selbstverständlich, mehrsprachig aufzuwachsen. Für ihre Erzieherinnen in der Kindertageseinrichtung und ihre Eltern ebenfalls.

Seit ihrem Einstieg in das Sprach- und Bildungsprogramm „Rucksack KiTa“ ist der Fokus in sieben Einrichtungen im Kreis Paderborn noch einmal mehr auf die sprachliche Entwicklung gerichtet, als sowieso schon. Und das auf besondere Weise, denn das erfolgreiche Sprachbildungsprojekt für Vier- bis Sechsjährige fördert nicht nur die Mehrsprachigkeit der Kinder mit internationaler Familiengeschichte, sondern unterstützt auch ihre Eltern in Bildungs- und Erziehungsfragen oder beim Festigen der deutschen Sprache.

Konkret läuft das Programm folgendermaßen ab: Einmal wöchentlich trifft sich eine Elterngruppe in der Einrichtung, um sich gemeinsam mit einer geschulten Elternbegleitung zu unterschiedlichen Themen und Fragestellungen aus dem Kitaalltag auszutauschen. Die Eltern fördern ihr Kind dann zu Hause in ihrer Familiensprache, Erzieherinnen und Erzieher in der Einrichtung nutzen die deutsche Sprache. Das Besondere daran: Eltern und Erzieher benutzen die gleichen Arbeitsmaterialien - nur in unterschiedlichen Sprachen.

Im Kreis Paderborn gibt es aktuell arabisch-sprachige, russisch-sprachige und türkisch-sprachige Elterngruppen. Gearbeitet wird mit Geschichten, Reimen, Mal- und Bastelvorlagen zu verschiedenen Themen wie Körper, Wetter oder Kleidung. Die Materialien wurden vom Ministerium für Kinder, Jugend, Familie und Gleichstellung, Flucht und Integration (MKJFGFI) konzipiert und in mehreren Sprachen zur Verfügung gestellt.

Als Bindeglied zwischen den Einrichtungen und den Eltern fungieren engagierte Personen wie Susanne Härtel. Sie selbst hat in der Vergangenheit gerne an Rucksack-Treffen teilgenommen und sich prompt gemeldet, als eine neue Elternbegleitung gesucht wurde. „Während unserer Treffen sprechen wir nicht nur über Themen, mit denen sich die Kinder in der Kita beschäftigten, sondern erfahren auch, was die Familien bewegt und interessiert. Dadurch ist jedes Treffen anders und motiviert dazu, immer wiederzukommen“, so Härtel.

„Die Mutter- oder Familiensprache eines Kindes ist genauso wichtig wie die deutsche Sprache“, stellt auch Bernhard Lünz, Geschäftsführer des Kommunalen Bildungs- und Integrationszentrums (KI), im Bildungs- und Integrationszentrum Kreis Paderborn (KI), heraus. Sein Team koordiniert das Projekt aus der Verwaltung heraus. Mit dem Blick in die Zukunft der jungen Menschen sei es deshalb ein großes Geschenk, beide sprachlichen Wege gehen und nutzen zu können.

„Mehrsprachigkeit ist die gesellschaftliche Norm und findet sich natürlich auch in unserer Einrichtung wieder“, betont auch Anja Sieke-Heers, Leiterin der Katholischen Kita und des Familienzentrums St. Hedwig in Paderborn. Seit dem Kitajahr 2020/2021 ist das Sprachbildungsprojekt „Rucksack KiTa“ auch hier fest im Alltag verankert. „Durch die gemeinsame Arbeit entstehen echte Erziehungs- und Bildungspartnerschaften zwischen den Familien und der Einrichtung“, so die Erfahrung der Kitaleiterin.

Neben den Materialien, die in den Einrichtungen und Zuhause genutzt werden, macht das Kommunale Bildungs- und Integrationszentrum den Kindertageseinrichtungen aber noch ein weiteres Zusatzangebot. So wurde ein mehrsprachiger Bücherkoffer zusammengestellt, dessen Inhalt auf Wunsch ausgeliehen werden kann. Eltern und Familien bekommen somit die Möglichkeit, Bücher in ihrer Familiensprache auszuleihen, um auch daheim Wortschätze zu vertiefen.

„Die positive Entwicklung des Projekts Rucksack KiTa sowohl im Hinblick auf die sprachlichen Fähigkeiten als auch auf die Anzahl der Teilnehmer zeigt, wie erfolgreich das Projekt hier vor Ort ist. Durch den Ansatz, Kinder mit internationaler Geschichte sowohl in Deutsch als auch in Ihrer Herkunftssprache zu fördern, wird Mehrsprachigkeit ohne Überforderung der Teilnehmer zu einer echten Bildungschance“, zeigt sich Claudia Holle als Geschäftsführerin der Osthushenrich-Stiftung aus Gütersloh fasziniert von einer Projektumsetzung, die den Kita-Alltag transparenter macht.

Das Projekt wird zu 50 Prozent durch das Landesförderprogramm „Integrationschancen für Kinder und Familien“ (IfKuF) und zu 50 % durch die Osthushenrich-Stiftung finanziert.
Interessierte Einrichtungen, die das Projekt „Rucksack KiTa“ auch gerne anbieten möchten, erhalten Informationen bei Theresa Trieu und Tamari Herding vom Kommunalen Integrationszentrum unter 05251 308 4637 oder  - 4643.


Hintergrund:
Das Projekt Rucksack KiTa gibt es seit 1998 und wird von der Landesweiten Koordinierungsstelle der Kommunalen Integrationszentren in NRW angeboten. Diese haben das Programm aus den Niederlanden adaptiert.

Das Kommunale Integrationszentrum des Kreises Paderborn hat das Projekt im Kindergartenjahr 2015/2016 erstmals in den Kreis Paderborn geholt und setzt damit seinen Auftrag zur Sprachbildung und interkulturellen Öffnung um.

Seit Projektbeginn und bis 2024 fördert die Osthushenrich-Stiftung „Rucksack KiTa“ mit 33.600 Euro. Eine Rucksack KiTa-Gruppe läuft immer ein Jahr lang. In jedem neuen Kindergartenjahr kann die teilnehmende KiTa ihre Rucksackgruppe fortführen oder eine neue einrichten.

Sieben Kitas nehmen derzeit an dem Projekt teil: Kath. KiTa St. Helena aus Altenbeken, Kath. KiTa Don Bosco aus Büren und die Kath. KiTa St. Johannes Baptist aus Delbrück. Aus Paderborn sind folgende Einrichtungen dabei: die Kath. KiTa St. Hedwig sowie die Städtischen Einrichtungen Kita An der Abtsbrede, KiTa Heidehaus und die KiTa Mistelweg.

Weitere Infos zur Rucksack KiTa unter: www.kreis-paderborn.de/rucksack-kita

 


Bildunterzeile:
Arbeiten an einem gemeinsamen Ziel – (hintere Reihe, v.l.) Claudia Holle, Geschäftsleitung Osthushenrich-Stiftung, Tamari Herding, Projektkoordinatorin Kommunales Integrationszentrum, Anja Sieke-Heers, KiTa-Leitung, Uschi Timmermann, päd. Fachkraft, Bettina Freitag, Regionalleitung des Trägers der Einrichtung Kath. Kitas Hochstift gem. GmbH, Bernhard Lünz, Geschäftsleitung Kommunales Integrationszentrum, (vordere Reihe, v.l.) Theresa Trieu, Projektkoordinatorin Kommunales Integrationszentrum, und Susanne Härtel, Elternbegleitung.

 

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