Aufschwung im Handel nicht in Sicht

Bielefeld (ik). Getrübte Aussichten im Handel und Dienstleistungssektor: Die anhaltenden globalen Turbulenzen getrieben durch den Krieg in der Ukraine sowie die steigende Belastung durch innenpolitische Maßnahmen strapazieren die Unternehmen in Ostwestfalen.

„Die Wirtschaft ist verunsichert durch die Krisen und massiven Veränderungen der jüngsten Vergangenheit. Das schlägt sich in den Ergebnissen unserer aktuellen Konjunkturumfrage deutlich nieder“, sagt Petra Pigerl-Radtke, Hauptgeschäftsführerin der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld (IHK), bei der Präsentation der Ergebnisse der Herbstkonjunkturumfrage 2023 am 11. September in der IHK in Bielefeld. An der Befragung haben sich 1.355 Unternehmen aus den Bereichen Handel und Dienstleistung mit knapp 56.000 Beschäftigten beteiligt.

Während der IHK-Klimaindex für die gesamte ostwestfälische Wirtschaft vom Frühjahr zum Herbst deutlich von 97 auf 86 Punkte abgerutscht ist, ist der Wert bei den Dienstleistern um vier Punkte auf 99 nur leicht unter die 100er-Marke gefallen. Im Handel ist ein Anstieg von 15 Punkten von 84 auf 99 zu verzeichnen, seit Herbst 2022 legte der Index sogar um 34 Punkte zu.

„Leider ist dieses relativ positive Ergebnis weitgehend auf die aktuelle Geschäftslage des Einzelhandels für Nahrungs- und Genussmittel und den Elektrogroßhandel zurückzuführen. In vielen anderen Teilbranchen des Handels haben Inflation, Energiepreisentwicklung und Kaufzurückhaltung der Kunden das Bild deutlich eingetrübt“, erklärt Petra Pigerl-Radtke. Die 100er-Linie steht beim Klimaindex für eine ausgeglichene Stimmung, bei der sich Optimisten und Pessimisten die Waage halten.

Aus der Dienstleistungsbranche haben 812 Unternehmen mit rund 33.500 Beschäftigen an der Erhebung teilgenommen. Die aktuelle Geschäftslage wird überwiegend als stabil eingeordnet, die Tendenz ist jedoch leicht abfallend. 32 Prozent sprechen von einer aktuell guten Geschäftslage, 19 Prozent von einer schlechten.

Hatten im Frühjahr 2023 noch viele auf eine Erholung gehofft, zeigt sich im Herbst bei den Erwartungen ein anderes Bild: Lediglich 19 Prozent der Unternehmen erwarten eine bessere Geschäftslage in den kommenden zwölf Monaten, 24 Prozent hingegen eine schlechtere.

„Die Aussichten sind sehr zurückhaltend. Selbst Branchen wie die IT-Dienstleister, die in der Vergangenheit immer recht stabil waren und nach Krisen schnell wieder ins Tagesgeschäft übergehen konnten, blicken skeptisch in die Zukunft“, sagt Christoph Plass, IHK-Vizepräsident und Vorsitzender des IHK-Dienstleisterausschusses. So glauben nur noch 24 Prozent IT-Dienstleister an eine Verbesserung der Geschäftslage (Frühjahr 2023: 35 Prozent), 22 Prozent gehen von einer Verschlechterung aus.

Ein ähnliches Bild zeichnet sich im Gesundheitswesen ab, das mit steigenden Kosten und Personalmangel kämpft. 24 Prozent bewerten die aktuelle Lage als gut, 22 Prozent als schlecht. Die Stimmung bleibt gedämpft. Statt Aufschwung gehen 51 Prozent von unveränderten Erträgen in den kommenden zwölf Monaten aus. In der Arbeitnehmerüberlassung hat sich die Ertragslage bereits für 56 Prozent verschlechtert. Nachdem im Frühjahr noch 42 Prozent eine bessere Geschäftslage erwartet hatten, sprechen aktuell nur 15 Prozent von einer guten, 38 Prozent hingegen von einer schlechten Geschäftslage.

Im Güterkraftverkehr bewerten sogar nur noch zehn Prozent ihre Geschäftslage als gut, 22 Prozent als schlecht. Neun Prozent konnten ihre Ertragslage verbessern. In 65 Prozent der Betriebe haben sich die Erträge verschlechtert.

Aus dem Handel haben sich 543 Unternehmen mit gut 22.300 Beschäftigten an der Konjunkturumfrage beteiligt. Die aktuelle Geschäftslage hat sich seit Frühjahr 2023 verschlechtert, die gedämpften Erwartungen sind damit Wirklichkeit geworden.

„Die hohe Inflationsrate, die angespannte Lage im verarbeitenden Gewerbe, gestiegene Kosten und eine damit verbundene Kaufzurückhaltung der Konsumenten sorgen für den Einbruch. Die konjunkturelle Lage war selten so schlecht und das durchgehend durch alle Handelsstufen“, sagt Rainer Schorcht, stellvertretender Vorsitzender des IHK-Handelsausschusses. 18 Prozent sprechen von einer guten, 26 Prozent von einer schlechten Geschäftslage. Mit Blick auf die kommenden zwölf Monate überwiegt der Pessimismus: Nur 13 Prozent erwarten eine Verbesserung, 38 Prozent dafür eine Verschlechterung.

Im Großhandel hat sich die Ertragslage für 53 Prozent verschlechtert, nur für 13 Prozent verbessert. Mit einem Aufschwung wird nicht gerechnet. Steigende Erträge erwarten lediglich sechs Prozent, 46 Prozent dafür fallende. Im Einzelhandel macht sich die gebremste Kaufkraft bemerkbar, eine kurzfristige Verbesserung ist nicht in Sicht. 15 Prozent erwarten eine bessere Geschäftslage, 37 aber eine schlechtere.

Im Kfz-Handel sprechen aktuell 44 Prozent von schlechteren Erträgen. Eine positive Entwicklung der Geschäftslage erwarten gerademal neun Prozent, 40 Prozent dafür eine Verschlechterung. Über alle Handelsstufen hinweg wird ein leichter Personalabbau erwartet – obwohl in 48 Prozent der Unternehmen eine oder mehrere Stellen zu besetzen sind.

Quelle: IHK-Bericht

Schorcht: „Dieser Widerspruch zeigt die Unsicherheit der Unternehmen und die Notwendigkeit, gegen den demografischen Wandel anzuarbeiten.“ Als größtes Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung nennt der Handel die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (57 Prozent). Auf den Plätzen zwei und drei folgen die Energiepreise und die Entwicklung der Inlandsnachfrage.

 

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Stellten die Ergebnisse der IHK-Konjunkturumfrage Handel und Dienstleistung vor (von links): Petra Pigerl-Radtke (IHK-Hauptgeschäftsführerin), Rainer Schorcht (stellvertretender Vorsitzender IHK-Handelsausschuss), Götz Dörmann (IHK-Geschäftsführer International, Handel, Verkehr), Christoph Plass (Vorsitzender IHK-Dienstleisterausschuss) und Marco Rieso (IHK-Referatsleiter Handel, Dienstleistung, Service-Center). Foto: IHK Ostwestfalen