Chronist: Wie aus zehn Orten eine Stadt wurde

Delbrück (wa). Wie durch die Kommunalreform in Nordrhein-Westflen am 1. Januar 1975 in Delbrück aus zehn Orten eine Stadt wurde, darüber berichtet Chronist Wilhelm Austenfeld vom Heimatmuseum Ostenland.

Natürlich stellt sich die Frage, ob das mit der Eingemeindung der Dörfer in größere Verwaltungseinheiten aus heutiger Sicht ein notwendiger und erfolgreicher Schritt war", bemerkt Austenfeld vorab und zieht abschließend ein Fazit. Doch zunächst zu den Fakten und den Erinnerungen des Chronisten an die Ereignisse vor 50 Jahren.

Mit dem Sauerland/Paderborn-Gesetz vom 5.11.1974 mussten auch die Kommunen in den Kreisen Büren und Paderborn sich auf den Weg machen, um neue Verwaltungseinheiten – Gemeinden und Städte – durch Zusammenschlüsse zu bilden.

Die Kreise Paderborn und Büren wurden zum Kreis Paderborn zusammengelegt. Das war unproblematisch, auch für die Behörden wie etwa Polizei, Bauämter, Unterhaltung der Straßen, Jugendamt und viele mehr. Autofahrer aus dem Kreis Büren erhielten nun das PB-Kennzeichen.Die Gemeinde Stukenbrock, die zum Kreis Paderborn gehörte, wurde dem Kreis Gütersloh zugeschlagen.

Die Stadt Paderborn wurde Großstadt. Dagegen hatten sich aber zunächst die Schloß Neuhäuser gewehrt. Sie wollten eigenständig bleiben. Schloß Neuhaus bekam zusammen mit Sande und Elsen aber einen Bezirksausschuss, damit die Belange der Bürger besser vertreten wurden. Teilweise hatten einige Gemeinden sich schon vor 1975 der Stadt Paderborn angeschlossen.

Zu Delbrück kamen die Stadtmitte und die Gemeinden Westenholz, Hagen, Ostenland, Westerwiehe (Schöning, Lippling, Steinhorst) und die Lippegemeinden Boke, Anreppen und Bentfeld, was natürlich auch sinnvoll war. Jetzt ist die Stadt Delbrück ein Mittelzentrum mit dem Slogan zehn Orte, eine Stadt.

Ein besonderer Fall war die Zuordnung von Ostenland und Hövelhof. Ostenland konnte sich entscheiden, mit dem gesamten Gemeindegebiet nach Hövelhof zu gehen oder mit Teilen nach Delbrück. Der Oberkreisdirektor Werner Henke machte damals den Vorschlag, die Klausheider Siedlung und den Ortsteil Espeln mit 900 Einwohnern der Gemeinde Hövelhof zuzuordnen.

Der Gemeinderat Ostenland hat sich in vielen Sitzungen mit der Grenzregulierung im Rahmen der kommunalen Neuordnung befasst. Am 4. April 1973 wurde der Beschluss gefasst:
• Der Gebietsteil Klausheide soll der Großgemeinde Hövelhof zugeordnet werden.
• Der Gebietsteil Espeln soll geschlossen entweder Hövelhof oder Delbrück angeschlossen werden.
• Der übrige Teil soll geschlossen Delbrück zugeordnet werden.

So kam es zu einer Meinungsumfrage. Dabei sorgte die SPD aus Hövelhof für eine Überraschung. Sie hatte eine Dokumentation zusammengestellt, nach der die Mühlensenne ganz für Hövelhof sei. Die Umfrage der SPD hatte aber Mängel und empörte viele Ostenländer, insbesondere die Mühlensenner. Sie gehörten zur Kirchengemeinde Ostenland, die Kinder gingen zur Volkschule nach Ostenland.

Insgesamt sei noch angemerkt: Die Ostenländer Einwohner erlebten ein Wechselbad der Gefühle. Zum dritten Mal sollte nun das Gemeindegebiet durchschnitten und praktisch ein Drittel der Bürger nach Hövelhof kommen.

Ein Blick in die Chronik verdeutlicht das. Bis 1808 war Ostenland die größte Dorfbauernschaft (die sogenannte Osterbauernschaft) des Delbrücker Landes. Es umfasste das gesamte heutige Gemeindegebiet Hövelhof, damals noch die gesamte Senne und das Gebiet der sogenannten Kreissiedlung, jetzt Paderborn.

Nachdem Napoleon, sein Bruder Jerome, in Kassel, das alte Fürstbistum Paderborn übernahm, ordnete er das Gebiet neu und es entstanden die Gemeinden. Die Gemeinden Hövelhof, Hövelriege und Ostenland mit Espeln, gingen aus der Osterbauernschaft hervor.

Für die Verwaltung wurden Ämter eingerichtet. Der letzte Delbrücker Amtsbürgermeister war Hubert Rosemeier aus Lippling.

1958 wurden im Rahmen einer Gebietsreform große Teile von Ostenland per Gesetz Hövelhof zugeordnet. Damals gab es große Verbitterung in Ostenland. Es kam zu Handgreiflichkeiten, Nachbarn stritten sich, der Schützenverein Ostenland nahm nicht mehr am Hövelhofer Schützenfest teil. Aus heutiger Sicht war es für die Hövelhofer verständlich, denn das Ostenländer Gebiet reichte bis zur heutigen Schlosskreuzung. So klagten auch die Anlieger, dass sie nach Ostenland und zum Amt nach Delbrück mussten, wo doch alles in Hövelhof nebenan erledigt werden konnte, Schule, Kirche, Geschäfte, Standesamt und vieles mehr. Die Siedlung Alkenbrink, die Epingsiedlung und die Bentlake kamen nach Hövelhof. 1958 war Ostenland 37 Quadratkilometer groß und hatte 3700 Einwohner. 825 Einwohner gingen nach Hövelhof.

Die nächste Teilung war im Mai 1973. Es wurde eine Bürgerbefragung duchgeführt mit dem Ergebnis, dass 56 Prozent in Espeln 56 für Anschluss an Hövelhof waten. Die Siedlung Klausheide hatte mit 83 Prozent für den Anschluss an Hövelhof gestimmt, die Mühlensenne mit 90 Prozent für den Anschluss an Delbrück. Andere Gemeindeteile waren ebenfalls eindeutig für Delbrück. Am 7. Mai 1973 fand ein Anhörungstermin in Paderborn statt. Für Ostenland sprach der letzte Gemeindebürgermeister Josef Fortmeier. Für Ostenland waren die Würfel gefallen.

Ab dem 1. Januar 1975 verlor Ostenland ein Drittel des Gemeindegebietes an Hövelhof und Paderborn. Das bedeutete, Ostenland verlor von 3.300 Einwohnern 1.081 Bewohner. Die Restgemeinde ging nach Delbrück und Ostenland und hatte nunmehr 2.300 Einwohner.

Ostenland hatte in die abgetrennten Gebietsteile viel investiert, so etwa in Sportplätze, Sportheime, Kanalisation, Wasserversorgung. 1973 entschloss sich die Gemeinde, eine Sporthalle zu bauen. Ohne Zuschüsse wurde der Bau begonnen. Zum Glück, denn ein Vorschaltgesetzt verbot Maßnahmen in den Kommunen. Im Mai 1974 konnte die Sporthalle eingeweiht werden. Damit erfüllte Ostenland als einzige Kommune den “Goldenen Plan der Deutsch-Olympischen Gesellschaft. Damit konnten 650 Kinder der Schule Sport in der Halle betreiben. In der letzten Ratssitzung im Dezember 1974 nahm Ostenland Abschied von der selbständigen Gemeinde Ostenland. „Mögen sich alle Bürger der Gemeinde Ostenland, ob nun der Stadt Delbrück, der Gemeinde Hövelhof oder Paderborn zugeordnet werden, möglichst schnell in das neue Gemeinwesen einleben“, so Bürgermeister Fortmeier in der letzten Sitzung.

Damit taten sich viele Ostenländer schwer, hatten sie doch durch Heirat, Nachbarschaften und Kirche viele persönliche Bindungen an Ostenland. Heute noch gehen die ehemaligen Ostenländer zum Kirchgang nach Ostenand, sind in Ostenländer Vereinen und nehmen hier am Gemeindeleben teil. 

                                                             
Am 29. Dezember 1974 nahmen viele Bürger bei einer Veranstaltung in der Sporthalle Abschied von der selbständigen Gemeinde Ostenland.

Was hat sich nun für Ostenland geändert geändert?

Die Zuordnung zur Stadt Delbrück mit dem Slogan zehn Orte,  eine Stadt, musste sich erst einmal finden. Baumaßnahmen, Ausweisung von Baugebieten und weitere mussten nun einvernehmlich im Stadtrat Delbrück beschlossen werden. Es gab keinen Bürgermeister, Polizeidiener und weitere Gemeindebedienstete in der Gemeinde Ostenland mehr. Das Standesamt, seit 1926 in Ostenland, wurde aufgelöst. Letzter Standesbeamter war Johannes Kampmeier.

Ortsvorsteher sollten in den Gemeinden die Verbindung mit den Bürgern und der Stadtverwaltung vertiefen. Die Ortsteile in Delbrück waren dagegen und argumentierten, dass die Aufwandsentschädigung, heute 0,90 Euro pro Einweihner, lieber der Allgemeinheit zukommen sollte. Damit wurden Heimatvereine gegründet, die dieses Geld statt eines Einzelnen für den Ort einsetzen.

Diskussion gab es zum Delbrücker Wappen. Man wollte die Boker„Bracke“ nicht im Wappen haben. Heute ist das kein Thema mehr.

Fazit zur Neugliederung

Es hat schon Sinn gemacht. Wenn früher Entfernungen eine Rolle spielten, so ist das heute durch die Digitalisierung kein Problem mehr. Ostenland hat sich nach der Neugliederung positiv entwickelt und ist eine attraktive Wohngemeinde mit jetzt über 3.000 Einwohnern geworden. Bei den Dorfwettbewerben konnte Ostenland immer gut punkten, gewann 1989 Landesgold, 2002 und 209 noch zweimal Kreisgold.

Leider mussten Ostenländer 2020 wieder nach Hövelhof. Der  Kreiswahlausschuss des Kreises hatte die Wahlkreise für die Kreistagswahl neu geordnet. Weil in Hövelhof im Wahlbezirk 29,  Klausheide und Bentlake, Einwohner fehlten, wurde die Gemeinde Ostenland dem Wahlkreis zugeschlagen. Das hat dann nochmal für Verärgerung gesorgt, aber auch diese Wogen sind wieder geglättet. Die Zeit, die regelt das schon.  

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