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Tipps für richtiges Heizen und Lüften

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Lemgo (th). Der Winter geht, der Frühling kommt: Prof’in Dr.-Ing. Susanne Schwickert und Prof. Dr. med. Manfred Pilgramm von der TH OWL erklären, wie wir jetzt für unsere Gesundheit und das eigene Zuhause richtig heizen und lüften.

Prof’in Dr.-Ing. Susanne Schwickert ist die stellvertretende Leiterin des „iFE – Institut für Energieforschung“ und lehrt Bauphysik und Technischen Ausbau an der TH OWL. Prof. Dr. med. Manfred Pilgramm ist Hals-Nasen-Ohren-Arzt und Umweltmediziner und leitet das Lehrgebiet Wohnmedizin. Erst Winter, dann Frühling, dann wieder kalt und nass: In den vergangenen Wochen lagen die Außentemperaturen zwischen zweistelligen Minus- und zweistelligen Plusgraden. Damit die Luftqualität in Haus und Wohnung optimal bleibt, ist richtiges Lüften wichtig.

Wenn der Winter langsam dem Frühling weicht, geht das oft mit einem Auf und Ab der Temperaturen einher, nachts ist es frostig und tagsüber schon lau. Welche Auswirkungen haben Temperaturschwankungen auf die Luftqualität in den Räumen und worauf sollte man bei wechselndem Wetter achten?

Schwickert: Auch bei sehr kalten Außentemperaturen ist regelmäßiges Lüften wichtig. Am besten mehrmals täglich fünf Minuten Heizung aus und alle Räume durchlüften. Denn in der kalten Jahreszeit ist die Luft in beheizten und genutzten Räumen immer feuchter als die Außenluft, ich kann also auch bei Regenwetter Feuchtigkeit „weglüften“. Da wir uns angesichts des vermehrten Homeoffices und Homeschoolings aktuell besonders lange in unseren Wohnräumen aufhalten und auch mehr kochen usw., ist regelmäßiges, effizientes Lüften wichtiger denn je. Bei einem 3-Personen-Haushalt kann man von einer nutzungsbedingten Feuchtezufuhr von 6 bis 12 Litern täglich ausgehen. Und die müssen eben raus.

Was sind gerade beim Übergang vom Winter zum Frühling die häufigsten Fehler in Bezug aufs Lüften und Heizen?

Pilgramm: Der häufigste Satz, den ich aktuell in meiner Praxis höre, ist: „Stellen Sie sich vor, Herr Doktor, bei uns im Schlafzimmer ist immer das Fenster offen.“ Das ist in den Wintermonaten tatsächlich ein Fehler. Die kalte Luft, die einströmt, ist in der Regel trocken. Das trocknet die Schleimhäute aus und führt vermehrt zu Infekten. Eine trockene Nase, ein trockener Hals und vermehrte Schleimbildung können aber auch auf eine sich entwickelnde Allergie gegen Hausstaubmilben hindeuten. Im Zweifel sollte man das mit einem Test beim Facharzt abklären.

Schwickert: Bei kalten Außentemperaturen ist die Lüftungswirkung groß und eine kurze Stoßlüftung reicht, um die Luft komplett auszutauschen. Vermeiden Sie gekippte Fenster, dadurch geht viel Heizwärme verloren und Bauteile wie Fensterstürze können extrem auskühlen, was im schlimmsten Fall zu Schimmel führen kann. Negative Folgen hat es oft auch, wenn Sie kalte Kellerräume an den ersten schönen warmen Frühlingstagen lüften. Bauteile, die Kontakt zum Erdboden haben, können gut Wärme speichern und haben daher eine recht konstante Temperatur. Kommen sie in Kontakt mit feuchter, warmer Außenluft, kommt es zu hoher Luftfeuchtigkeit oder Kondensatausfall an der Innenoberfläche des Bauteils, das heißt, sie wird nass. Das ist genauso wie beim Joghurtbecher, den ich aus dem Kühlschrank hole. Glitschige Kellerwände, und sei es nur zeitweise, will niemand, zumal hier Schimmelpilz ein leichtes Spiel hat.

Gibt es körperliche Symptome, an denen ich erkennen kann, dass es Zeit wird, den Raum zu lüften?

Pilgramm: Ja, Kopfschmerzen im Stirnbereich, Konzentrationsstörungen oder Unruhe beim Sitzen können darauf hindeuten, dass man lüften sollte. In Räumen, in denen man sich viel aufhält, sollte man daher Temperatur, Luftfeuchtigkeit und CO2-Wert messen. Entsprechende Kombi-Messgeräte gibt es schon für rund 30 Euro. Wohn- und Arbeitsräume sollten zwischen 20 und 22 Grad warm sein, das Schlafzimmer ruhig etwas kühler, und die Luftfeuchtigkeit sollte über 50 bis 60 Prozent liegen. Und auch der CO2-Wert sollte gewissen Grenzwerte nicht überschreiten.

Schwickert: Nach der sogenannten Pettenkofer-Zahl sollten nicht mehr als 1000 Kohlendioxid-Moleküle auf eine Million Luftteilchen (parts per million, ppm) kommen, denn dann nimmt die Schläfrigkeit der Nutzenden zu. Ideal wären Werte von 500 bis 800 ppm, was aber viel Disziplin beim Lüften erfordert. Bei 2000 bis 5000ppm wirkt Luft abgestanden und stickig, dann kommt es zu Kopfschmerzen, Aufmerksamkeitsverlust, erhöhter Herzfrequenz bis hin zu leichter Übelkeit.

Regelmäßiges und ausreichendes Lüften ist gerade seit Beginn der Corona-Pandemie wieder in den Fokus gerückt. Wie lüfte ich am effektivsten und was bedeuten in dem Zusammenhang regelmäßig und ausreichend?

Schwickert: Hier haben Studien der TU Berlin gezeigt, dass man die Zahl virenbeladener Partikel in der Luft maßgeblich reduzieren kann, wenn man so lüftet, wie man eigentlich immer lüften sollte, nämlich, dass der CO2-Gehalt den Wert von 1000 ppm nicht überschreitet. Wie hoch die CO2-Konzentration in einem Raum ist, hängt natürlich von verschiedenen Faktoren ab: Wie groß ist der Raum, wie viele Personen sind im Raum, wie lange halten sie sich dort auf und wie aktiv sind sie. In normal großen Räumen reicht meist eine Stoßlüftung alle 2 Stunden. Die dauert im Winter nur 5 Minuten, im Sommer aber vielleicht auch 20 bis 30 Minuten. Für Klassenzimmer reicht das aber nicht. Hier empfiehlt das Umweltbundesamt alle 20 Minuten eine Stoßlüftung. Schlafzimmer sollten morgens ebenfalls stoßgelüftet werden, so dass die verbrauchte, feuchte Raumluft gegen frische ausgetauscht wird. Wenn dann die Türen geschlossen sind, kann die frische kalte Luft beim Erwärmen im Raum nochmals Feuchte aus den Bauteiloberflächen sowie der Bettwäsche und der Matratze aufnehmen, die dann im Optimalfall im nächsten Lüftungsvorgang aus dem Schlafzimmer abgeführt wird. Wohnräume, die nicht genutzt werden, sollten zumindest leicht temperiert werden und auch täglich kurz gelüftet werden.

Wie viel wichtiger ist richtiges Lüften für unsere Gesundheit, aber auch für unser Zuhause geworden, seit moderne Wohnhäuser stärker isoliert sind?

Pilgramm: Sehr viel wichtiger. Altbauten haben sich früher im Prinzip selbst gelüftet, da ging immer ein leichter Luftzug. Da unsere Wohngebäude heute besser isoliert sind, wir aber immer noch Schadstoffe im Innenraum haben, die jetzt – ebenso wie verbrauchte Luft – nicht mehr entweichen, ist regelmäßiges Lüften heute sehr wichtig.

Schwickert: In Neubauten sind raumlufttechnische Anlagen mittlerweile eigentlich üblich, um die Wärmeverluste durch Lüften zu reduzieren. Hier ist Wärmerückgewinnung Standard. Damit ist man je nach Regelung der Anlage die Aufgabe der manuellen Lüftung ganz oder teilweise los.

In welcher Jahreszeit ist die Wahrscheinlichkeit für Schimmelpilze besonders hoch?

Pilgramm: Die Jahreszeit ist für das Wachstum von Schimmelpilzen unerheblich. Die Pilze wachsen bei einer Temperatur zwischen 6 und 30 Grad, sie brauchen Nahrung wie organisches Material von Tapeten, Kleister, Farbe, Papier oder Holz. Sie brauchen außerdem Sauerstoff, einen pH-Wert zwischen 5 und 7, eine Feuchtigkeit von 71 Prozent oder mehr und sie brauchen Zeit zum Wachsen, so etwa vier bis fünf Tage. Wenn wir diese Voraussetzungen gar nicht erst schaffen, wächst auch kein Schimmel. Am besten kann man natürlich auf die Luftfeuchtigkeit und den pH-Wert achten und darauf, dass der Pilz keine Nahrung zur Verfügung hat.

Wie sehr begünstigen Möbel oder Gardinen Schimmelbildung?

Schwickert: Der verminderte Wärmeübergang durch Möbel und Gardinen begünstigt Schimmelbildung stark. Deswegen heißt es gerade in Altbauten: Möbel ein Stück von der Wand abrücken und besser an die Innenwände stellen und immer schön die Augen auf. Die Schimmelsporen sind farbig, aber unglaublich klein. Es bedarf einer gewissen Anzahl, dass sie mit dem Auge erkennbar sind.

Welche Faktoren abseits von Schimmelsporen belasten unsere Atemluft noch?

Pilgramm: Meistens Formaldehyd aus Klebstoffen, Möbeln, Furnieren oder Paneelen, in denen es verwendet wurde. Wie merken Sie eine solche Schadstoffbelastung? Durch tränende Augen, ein Kratzen im Hals, eine laufende Nase, Druck im Bereich des Kopfes oder Schwindelbeschwerden. Meistens fällt dann im Urlaub auf, dass die Beschwerden nachlassen und man stellt den Zusammenhang zur Luft im eigenen Zuhause her.

Wirkt sich vermehrtes Heizen jetzt in der kalten Jahreszeit auf die Schadstoffbelastung in der Luft durch beispielsweise Dämpfe von Klebern oder Holzschutzmitteln aus?

Pilgramm: In der Regel nicht. Man kann aber natürlich herausfinden, ob sich zu Hause Schadstoffe in der Luft ansammeln. Sachverständige können sich einen ersten Überblick verschaffen, diese Leistung kostet etwa 30 bis 50 Euro. Wichtig ist, dass ein qualifizierter Anbieter die Messung macht. Die finden Sie beispielsweise beim Verband Deutscher Baubiologen (VDB), da gibt es Sachverständige mit unterschiedlichen Schwerpunkten.

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Richtig heizen und lüften
Richtig heizen und lüften: Umweltmediziner Manfred Pilgramm und Bauphysikerin Susanne Schwickert geben Tipps