Erntebilanz: erhebliche Ertragseinbußen
Münster (wlv). Die Ernte ist weitgehend abgeschlossen, jetzt ziehen die Bauernfamilien in Westfalen-Lippe Bilanz: Zu viel Nässe und zu wenig Sonne im Anbau sowie zahlreiche Niederschläge zur Erntezeit zeigen Auswirkungen vor allem auf den Ertrag von Getreide und Feldfrüchten. Insbesondere im Frühjahr, als wichtige Pflanzenschutzmaßnahmen für das Wintergetreide anstanden und rund um die Aussaat des Sommergetreides, geriet der Ackerbau in Westfalen-Lippe zur echten Zitterpartie. Beinahe flächendeckend konnten für das Getreidewachstum unverzichtbare Pflanzenschutzmaßnahmen nicht durchgeführt und Felder nicht bestellt werden, weil die Flächen durch Überschwemmungen nicht befahrbar waren.
Die Folge: Etliche Felder mit Wintergetreide und Raps, die im Herbst ausgesät worden waren, mussten umgebrochen und neu bestellt werden. Zwar seien die Qualitäten weitgehend zufriedenstellend, jedoch deutliche Mindererträge zu verbuchen. Dieses Fazit zog Hubertus Beringmeier, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV e.V.), im Rahmen der diesjährigen Ernte-Pressekonferenz auf dem Betrieb von Stefan Vogelsang in Rheda-Wiedenbrück.
Die Auswirkungen der Witterung zeigen sich demnach insbesondere bei der Wintergerste: So haben die Betriebe in Westfalen-Lippe bei der Wintergersten-Ernte auf leichten Böden lediglich zwischen vier und sieben Tonnen pro Hektar (im Vorjahr 2023: 8,5 Tonnen/Hektar) erzielt, auf schweren Böden liegt der Hektarertrag bei acht bis neun Tonnen (im Vorjahr: 9,5 Tonnen/Hektar). „Durch die Überschwemmungen im Frühjahr mussten viele Flächen, auf denen zunächst Wintergetreide ausgesät war, umgebrochen werden, weil die Bestände nicht mehr zu retten waren. Die Betriebe haben in der Folge auf Sommergetreide oder Mais zurückgegriffen. Das ist der Grund, warum die Anbauflächen von Sommergetreide in diesem Jahr so stark angestiegen sind. Obwohl die Erträge beim Sommergetreide insgesamt zufriedenstellend waren, fallen sie doch deutlich geringer aus als beim Wintergetreide. Das macht schnell bis zu 15 Dezitonnen pro Hektar aus. Dadurch fällt die Erntebilanz 2024 beim Getreide insgesamt unterdurchschnittlich aus, Erträge und Qualitäten hängen entscheidend vom Standort ab“, bilanzierte WLV-Präsident Hubertus Beringmeier am Mittwoch in Rheda-Wiedenbrück.
Die Betriebe konnten die sonnenreichen Tage zur Ernte nutzen, um das Getreide trocken einzufahren. Bei guten Qualitäten machen sich dennoch deutliche Ertragsverluste bemerkbar. Bei Weizen, Roggen und Triticale (eine Kreuzung aus Roggen und Weizen), die in Westfalen-Lippe überwiegend zur Futtermittelgewinnung angebaut werden, sowie bei Raps, ergeben sich Einbußen von bis zu 30 Prozent im Vergleich zu durchschnittlichen Erntejahren. So wurden bei der Gerstenernte 14,9 Prozent weniger als im Vorjahr eingefahren, beim Roggen rund 10 Prozent und bei Triticale 6,2 Prozent weniger als zur Ernte in 2023. Besonders betroffen ist der Winterweizen mit Ertragseinbußen von 29,3 Prozent. Weizen ist in Westfalen-Lippe das am meisten angebaute Getreide.
Mit Blick auf die Ernteergebnisse zeigt sich aufgrund regionaler Unterschiede eine große Spannbreite sowohl bei Erntemengen als auch Qualitäten. „Der Preisverfall an den Getreidemärkten – Grund sind insbesondere Restbestände aus dem Vorjahr und hohe Mengen auf dem Weltmarkt – stellt uns Landwirte zusätzlich vor enorme Probleme. In Verbindung mit den hohen Betriebsmittelkosten ist ein wirtschaftlicher Getreideanbau in Deutschland bei dem aktuellen Preisniveau kaum noch möglich“, so Beringmeier weiter.
Wald, Grünland, Mais und Zuckerrüben haben hingegen von den großen Niederschlagsmengen profitiert, die das Pflanzenwachstum beförderten. Bei Mais und Zuckerrüben erfolgt die Ernte bis etwa Anfang Oktober, hier erwarten Landwirtinnen und Landwirte eine gute bis durchschnittliche Ernte.
Anders stellt sich die Situation auf Betrieben mit Kartoffelanbau dar: Durch zu viel Nässe im Boden ist der Pilz- und Schädlingsdruck in diesem Jahr höher, sodass zusätzliche Pflanzenschutzmaßnahmen ergriffen werden mussten. Zwar ist die Kartoffelernte noch nicht abgeschlossen, es ist aber bereits absehbar, dass sich das Angebot – insbesondere auch durch Krautfäule – verknappt. „Die diesjährige Ernte war in vielerlei Hinsicht herausfordernd für den Ackerbau. Mein besonderer Dank gilt den Bauernfamilien in Westfalen-Lippe, die – allen Widrigkeiten zum Trotz – die Getreideernte abgeschlossen haben und damit auch unter schwierigen Bedingungen die Lebensmittelsicherung gewährleisten“, machte Beringmeier deutlich.
Die Auswirkungen des Klimawandels seien für die Landwirtschaft seit Jahren deutlich spürbar. Geholfen habe den Landwirtinnen und Landwirten ihre Anpassungsfähigkeit, um die Ernte auch unter schwierigen Bedingungen sicherzustellen. Wirksame Instrumente im Ackerbau sieien etwa Züchtungsmethoden für an die Wetterveränderungen angepasste Kulturpflanzen, vielfältige Fruchtfolgen, Wassermanagement und Maßnahmen im integrierten Pflanzenschutz sowie eine bodenschonende Bearbeitung. „Wir bewerten es als äußerst problematisch, dass von der Regierung weitere Verbote im Pflanzenschutz geplant sind. Dadurch droht die Vernichtung ganzer Ernten. Dabei trägt chemischer Pflanzenschutz maßgeblich dazu bei, die Versorgungssicherheit und eine gute Qualität der Ernten sicherzustellen“, betonte der Bauernpräsident.
Mit Blick auf die wirtschaftliche Situation zeigen demnach die Verbraucherpreise seit dem Frühjahr 2024, nach einem dramatischen Anstieg der Nahrungsmittelpreise in 2022/2023 um fast 25 Prozent (Februar 2023), insgesamt einen klaren rückläufigen Trend. Auch die Marktsituation für tierische Produkte ist demnach insgesamt zufriedenstellend. Durch weiterhin hohe Betriebsmittelkosten für Düngemittel, Diesel, Pflanzenschutzmittel und Energie, sowie fehlende politische und gesetzgeberische Rahmenbedingungen und hohe Umweltauflagen üben sich die Betriebe laut Bauernverband jedoch weiterhin in Investitionszurückhaltung.
„Nach den Bauernprotesten zum Jahresbeginn haben wir zunächst viel Zuspruch von der Politik erhalten. Reinen Lippenbekenntnissen müssen nun endlich Taten folgen, um die Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirtschaft zu stärken. Wir werden die Bundesregierung an konkreten Ergebnissen messen, insbesondere mit Blick auf die anstehenden Bundestagswahlen im nächsten Jahr“, unterstrich WLV-Präsident Hubertus Beringmeier. Eine Stärkung der heimischen Landwirtschaft durch tragfähige und durchdachte Konzepte sei demnach dringend geboten.
Das gelte auch mit Blick auf das aktuelle Seuchengeschehen, das viele Tierhalter aus Sorge um ihre Tiere beunruhigt. Insbesondere die Afrikanische Schweinepest, die Blauzungenkrankheit sowie das Herpesvirus BHV1 sind in den vergangenen Monaten auf dem Vormarsch. „Die Politik muss die Herausforderungen, die in allen Bundesländern gleichermaßen mit dem Seuchengeschehen einhergehen, gemeinsam lösen“, mahnte Hubertus Beringmeier in Rheda-Wiedenbrück.
Quelle: wlv.de